Die Mühlen der Justiz mahlen langsam. Wie langsam, hätte sich niemand der sechsköpfigen Arbeitsgruppe der Universität Köln vor Beginn ihres Forschungsprojektes vorstellen können. Gegenstand ihrer Arbeit ist eine vor über 475 Jahren geführte, gerichtliche Auseinandersetzung zwischen dem Paderborner und dem Kölner Erzbischof, die nun gravierende Auswirkung auf die Gegenwart hat. Damals wurde bei einem Streit um den Bleiwäscher Bleizehnt der Grenzverlauf zwischen den beiden Territorien verhandelt und festgelegt. Man einigte sich, wie das Forscherteam aus den originalen Gerichtsakten entnehmen konnte, auf den Lühlingsbach als natürliche Grenze zwischen den beiden Herrschaften. Vor Ort setzte man diesen Kompromiss jedoch völlig anders um und legte die Grenze an die Schwelge vor dem Madfeld. Da zwischenzeitlich der Bleibergbau bei Bleiwäsche unrentabel geworden war und somit kein Bleizehnt mehr zu erwarten war, pochte niemand auf den korrekten Vollzug des Verfahrens. Das damals erlassene Urteil zum Grenzverlauf zwischen den heutigen Kreisen Paderborn und Hochsauerland hat seine Gültigkeit jedoch nicht verloren und ist bis heute rechtskräftig. Aus diesem Grund wird es nun zu einem einzigartigen Sonderfall kommen. Die Ortschaft Bleiwäsche wird der Stadt Brilon und dem HSK zugeschlagen, so wie es das Reichskammergericht zu Speyer 1561 verfügt hat.
Somit verliert die Stadt Bad Wünnenberg ihren schönsten Ortsteil. Ab dem 01.04 heißt es: Bleiwäsche, wir sind weg. Der Landrat des HSK äußerte sich optimistisch. Es werde alles getan, um die Bleiwäscher möglichst schnell zu integrieren. Dies werde vermutlich ohnehin einfach sein, da der Ort geografisch, geologisch und klimatisch eh eher zum Sauerland gehöre. Viele Bleiwäscher seien zudem sogar in Brilon geboren. Eine Reihe von Veränderungen seien jedoch unvermeidbar. So wird es in Bleiwäsche zukünftig ein „Tor im Sauerland“ geben. Die Straße „Zum Sauerland“ wird zur Straße „Im Sauerland“ unbenannt und anschließend mit künstlichen Schlaglöchern versehen. Die Firma Lobbe wird die gelben Tonnen zeitnah einsammeln und der gelbe Sack kehrt zurück. Abonnenten des Westfälischen Volksblatt erhalten automatisch die Westfalenpost. Die NR wird durch den Sauerlandkurier ersetzt. Bei den KFZ-Kennzeichen wird das PB durch BRI ersetzt. Buchstaben und Zahlen bleiben ansonsten erhalten. Um Streitigkeiten im Vorfeld zu begegnen: Die Nummernschilder BRI-SANT 1-10 sind bereits vergeben. Übergangsweise, bis zur nächsten Kommunalwahl, werden die Bleiwäscher Stadträte an den Sitzungen in Brilon teilnehmen.
Neben diesen, teils bürokratischen Auswirkungen, kommt es jedoch auch zu vielen erfreulicheren Anpassungen. Bewerbungen zur Briloner Waldfee werden nun auch aus Bleiwäsche entgegengenommen. Beim Briloner Open Air wird der Musikverein Bleiwäsche aufspielen und die Trasse des Rothaarsteigs verläuft demnächst über den Roten Landweg am Hotel vorbei. Für die große Zahl der Bleiwäscher Schützenfestfans werden goldene Zeiten anbrechen, denn der Ort wird gleichzeitig im Kreisschützenbund des Altkreises Büren und des HSK vertreten sein. Hinzu kommt das Briloner Stadtschützenfest. Noch in diesem Jahr wird der Schnadezug aus Brilon in der Bleiwäscher Feldflur erwartet, um den neuen Grenzverlauf zu kontrollieren. Die neuen Grenzsteine werden in den nächsten Tagen aufgestellt. Für alle Bleiwäscher wird dann eine sogenannte Pohl- oder Stutzäspflicht bestehen. Aus offiziellen Kreisen verlautete, dass das Pohl- oder Stutzäsen ein langjährig erprobter und sicherer Vorgang sei, vor dem sich niemand zu fürchten brauche. Zum Abbau von Ängsten werden im Vorfeld entsprechende Beratungsgespräche angeboten. Der alte Grenzverlauf zwischen Paderborn und HSK soll als grünes Band erhalten bleiben und wird der Natur überlassen. Als Zeichen der Sauerländer Willkommenskultur sind alle Bleiwäscher am heutigen Samstag nach Brilon auf dem Marktplatz eingeladen, um vom ersten Bürger der Stadt Brilon persönlich begrüßt zu werden. Der bekannte Bundestagsabgeordnete Jakob Maria Mierscheid (SPD) wird ebenfalls zugegen sein und eine Festrede über die geringelte Haubentaube halten.